Die Affäre Khan hinterlässt nur Verlierer

Der Befreiungsschlag der Credit Suisse ist misslungen. Zu viele Fragen sind offen. Licht in die Affäre Khan könnten die Zürcher Staatsanwälte bringen, die ihre Ermittlungen ausgeweitet haben.

Ermes Gallarotti, Zoé Baches
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Crédit Suisse beim Paradeplatz.

Crédit Suisse beim Paradeplatz.

Karin Hofer / NZZ

Der Versuch der Credit Suisse (CS), die Affäre Khan hinter sich zu lassen und zur Tagesordnung überzugehen, ist gescheitert. Zwar hat die Bank, gestützt auf die Ergebnisse eines in Auftrag gegebenen externen Untersuchungsberichts, Anfang Woche die rechte Hand von Konzernchef Tidjane Thiam, Pierre-Olivier Bouée, und den globalen Sicherheitschef, Remo Boccali, entlassen. Aber es fällt schwer, zu glauben, dass in der gesamten CS nur gerade diese beiden Personen von der Beschattung des ehemaligen CS-Bankers Iqbal Khan wussten. Warum sollte Bouée seinen Chef und langjährigen Weggefährten ausgerechnet über dieses für die Bank heikle Vorhaben im Dunkeln lassen?

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Und damit wird klar, warum der Befreiungsschlag nicht gelungen ist: Bis heute weiss niemand, was wirklich hinter dem Zerwürfnis von Thiam und Khan steht. Der Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Homburger hat wenig zur Aufklärung des Falls beigetragen, weil sein Fokus thematisch und zeitlich stark eingeschränkt wurde: Er wertet lediglich schriftliche Quellen aus, klammert das persönliche Verhältnis zwischen Thiam und Khan aus, beleuchtet nur die Geschehnisse seit dem Beginn der Beschattungsaktion am 4. September und berücksichtigt weder Akten der Polizei noch der Staatsanwaltschaft, die strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Observierung aufgenommen haben. Damit verliert der Bericht, der die Bank entlasten sollte, viel von seiner Überzeugungskraft.

Untersuchung ausgeweitet

Mehr Licht in die Affäre könnten die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Aufklärungen bringen. Zur Erinnerung: Aufgrund einer Strafanzeige Khans hat die Zürcher Staatsanwaltschaft bereits vorletzte Woche ein Strafverfahren eröffnet. In diesem Verfahren geht es in erster Linie darum, zu prüfen, ob sich jemand im Zusammenhang mit der Überwachung Khans eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens wie Anstiftung oder Nötigung schuldig gemacht hat. Das Verfahren sei immer noch pendent, deshalb könnten keine weiteren Angaben gemacht werden, heisst es vonseiten der zuständigen Staatsanwaltschaft.

Das Verfahren ist bereits mehrmals auf immer mehr Personen ausgedehnt worden. So ermittelten die Behörden in einer ersten Runde einzig gegen die drei direkt in die Beschattung involvierten Detektive. Das Verfahren wurde in einer zweiten Runde auf Boccali und Mittelsmann T. S. ausgedehnt, nachdem sich diese selber bei der Polizei gemeldet hatten. T. S. hatte die Detektive für die Beschattung Khans organisiert.

In einer dritten Runde weitete die Oberstaatsanwaltschaft ihre Untersuchung auf Bouée und auf weitere, «derzeit näher nicht bekannte Mitarbeiter der Credit Suisse AG» aus. Obwohl also die CS sagt, es hätten nur zwei Personen in der ganzen Bank von dieser Beschattung gewusst, wollen die Strafverfolgungsbehörden diesen Aspekt noch einmal genau untersuchen. Sicher ist, dass die Ermittler Zugriff auf deutlich mehr Informationen haben als die Homburger-Anwälte. Die CS nimmt zu diesen Weiterungen keine Stellung.

Bauernopfer Boccali

Bedeckt gibt sich die Grossbank auch zum erzwungenen Rücktritt von Boccali. So war der Sicherheitschef nicht direkt Bouée unterstellt. Unabhängig davon gab Bouée persönlich Boccali den Auftrag zur Beschattung von Khan. Das heisst, dass Boccalis direkte Vorgesetzte umgangen wurden. Boccali wagte es nicht, sich der Anweisung eines Mitglieds der Konzernleitung zu widersetzen. Man darf annehmen, dass Bouée von ihm gefordert hat, den Auftrag vertraulich auszuführen und nur ihm Bericht zu erstatten.

Mehrere andere, mit den Geschehnissen vertraute Personen erklären, dass sich Boccali in dieser Angelegenheit stets korrekt und sehr loyal gegenüber der CS verhalten habe. So habe er bei der ersten Vernehmung noch versucht, den Namen Bouées gegenüber der Polizei nicht zu nennen. In der Folge habe er sich weiter für den Mittelsmann T. S. und die von ihm ausgewählten Detektive eingesetzt, heisst es weiter. Der Anwalt von Boccali, Andreas Josephsohn, lehnte eine Stellungnahme ab.

Keine rechtlichen Schritte gegen die CS plant derzeit die Familie des verstorbenen Mittelmannes T. S., wie sein Anwalt Duri Bonin erklärt. Anfang der Woche wurde bekannt, dass T. S. am 24. September Suizid begangen hatte. An jenem Morgen gab die CS den Namen der Detektivagentur an verschiedene Medien und Nachrichtenagenturen weiter. Mindestens einem Journalisten wurde von bisher unbekannter Quelle zudem der Name von T. S. genannt. Dieser soll aber noch am Tag zuvor per E-Mail an die Grossbank geschrieben haben, dass der Name der von ihm vermittelten Detektivagentur «unter keinen Umständen» publiziert werden dürfe. Es traf ihn dann offenbar wie ein Schock, als dies nur 20 Stunden später geschah. Als dann auch noch ein Journalist bei ihm anrief und erklärte, er habe seinen Namen aus dem Umfeld der Grossbank erhalten, richtete sich T. selber.

Thiam ist angeschlagen

Wie die Affäre auch ausgehen wird: Am Schluss bleiben nur Verlierer. Thiam hat viel von seiner Strahlkraft verloren. Vor allem die Mitarbeiter der Bank werden sich fragen, warum der oberste Konzernchef nicht die Verantwortung für den der Reputation abträglichen Beschattungsauftrag seines Vertrauten Bouée übernommen habe und zurückgetreten sei. Dies umso eher, als «gewöhnliche» Mitarbeiter bei bedeutend weniger gravierenden Fehlverhalten ihren Job riskieren.

Weniger zu befürchten hat Thiam wohl von den grossen internationalen Aktionären der Bank wie Blackrock oder Harris Associates. Als Fondsanbieter agieren diese Vermögensverwalter als Treuhänder von CS-Aktien. Andere Grossaktionäre wie Olayan Group oder Qatar Holding sind bisher selten in der Rolle aktivistischer Eigentümer aufgefallen. Für Rücktritte auf höchster Ebene treten sie allenfalls bei der Verletzung aufsichtsrechtlicher oder anderer gesetzlicher Bestimmungen ein. So oder anders: Thiam ist und bleibt Teil des Problems. Letztlich muss er selber entscheiden, ob seine Glaubwürdigkeit noch gross genug ist, um sein Amt fortzuführen.

Aber auch der Verwaltungsrat hat keine gute Figur gemacht. Das Gremium, das für die Gesamtleitung sowie die Aufsicht und Kontrolle der Bank verantwortlich ist, war nicht über die Beschattungsaktion informiert, fiel durch eine unglückliche Krisenkommunikation auf und vermochte die Vorfälle nicht im gewünschten Mass aufzuklären.

Eher ein Draufgänger

Und nicht zuletzt fällt auch auf Khan ein Schatten. Seine Rolle in der ganzen Angelegenheit bleibt letztlich unklar. Der Banker soll sich zwar seit längerem in einem Zustand von Angst befunden haben. Vom Naturell gilt er aber eher als ein Draufgänger. Den Sicherheitsdienst, den die CS jedem Konzernleitungsmitglied zur Verfügung stellte, habe er nur kurz beansprucht. Khan befand offenbar, er brauche diesen Schutz nicht.

Als etwas eigenartig werten Beobachter zudem die Reaktion von Khan am Tag, als die Beschattung aufflog. Warum rennt ein Mann, der sich so stark fürchtet, einzig mit einem Smartphone in der Hand schreiend auf die Person zu, von der er sich bedroht fühlt? Khan sei zu diesem Zeitpunkt stark erregt gewesen und habe sich schon länger gefürchtet. Dass Khan wohl auch Angst um seinen Sohn hatte und seine Frau, die im Auto sass, könnte Khans ungewöhnliche Reaktion ausgelöst haben. Solange dieser Vorfall aber nicht geklärt ist, bleiben Fragen offen. Khan dürfte allerdings auch von dieser Affäre profitieren. Seit Anfang Oktober kann er nun Banker und Kunden von seinem alten Arbeitgeber für die UBS zu gewinnen versuchen. Denn bei der CS dürfte sich nach dem Geschehenen wohl so mancher nicht mehr allzu stark gegen solche Abwerbungsversuche wehren.